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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 9 Ta BV 33/03
Rechtsgebiete: BetrVG, WO 2001
Vorschriften:
BetrVG § 19 | |
WO 2001 § 2 Abs. 5 |
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Beschluss
Aktenzeichen: 9 TaBV 33/03
Verkündet laut Protokoll am 25. September 2003
In dem Beschlussverfahren
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 9, in Frankfurt am Main auf die mündliche Anhörung vom 25. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bram als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Opel und den ehrenamtlichen Richter Kunz als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2002 - 4 BV 166/02 - abgeändert.
Die Betriebsratswahl, die in der Zeit vom 20. bis 22. März 2002 durchgeführt worden ist, wird für ungültig erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Antragsteller, die Beteiligten zu 1) bis 4), sind vier wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb der Beteiligten zu 6). Der Beteiligte zu 5) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 6) gewählte Betriebsrat.
In der Zeit vom 20. März 2002 bis zum 22. März 2002 fand im Betrieb der Beteiligten zu 6) eine Betriebsratswahl mit 1442 Wahlberechtigten zu einem Betriebsratsgremium von 15 Mitgliedern statt. Ausweislich des am 22. März 2002 bekannt gegebenen Wahlergebnisses entfielen auf die Liste 1 631 Stimmen, auf die Liste 2 47 Stimmen und auf die Liste 3 343 Stimmen; 28 Stimmen waren ungültig.
Im Betrieb der Beteiligten zu 6) sind etwa 1000 gewerbliche Mitarbeiter beschäftigt, von denen 70 % ausländischer Herkunft sind. Bei den etwa 400 Angestellten beträgt der Anteil der ausländischen Mitarbeiter rund 20 %. Im Unternehmen sind über 100 Nationalitäten vertreten. Die größte Gruppe der ausländischen Mitarbeiter stammt aus der Türkei; weitere Gruppen stammen aus Spanien, Italien, Griechenland, Serbien, Kroatien, Tunesien, Marokko, Japan, Thailand und den Philippinen. Wichtige Informationsschreiben der Geschäftsleitung werden in den im Betrieb vertretenen gängigen Sprachen verschickt. Der Betriebsrat bot wegen eines Schreibens der Geschäftsleitung vom 8. Mai 2003 Übersetzungen in verschiedene Sprachen wie Türkisch, Englisch, Spanisch, Thai, Vietnamesisch und Italienisch an.
Mit am 5. April 2002 bei Gericht eingegangener Antragsschrift haben die Antragsteller die Feststellung begehrt, dass die durchgeführte Betriebsratswahl rechtsunwirksam bzw. nichtig sei. Sie sind der Ansicht gewesen, die Betriebsratswahl sei aus zwei Gründen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zum Einen, läge ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO vor. Die Antragsteller haben insoweit behauptet, der weit überwiegende Anteil der ausländischen Mitarbeiter, die als Arbeiter im operativen Geschäft tätig seien, verfüge nur über sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse. Sie seien noch nicht einmal in der Lage, Urlaubsanträge ordnungsgemäß auszufüllen. Mindestens die Hälfte aller ausländischen Mitarbeiter verfüge nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, um einfache Formulare oder Arbeitsanweisungen, die außerhalb der täglichen Routine lägen, zu verstehen. Häufig würden einzelne Vorgesetzte von ausländischen Mitarbeitern gebeten, ihnen Briefe von Behörden oder der Personalabteilung zu erklären oder zu übersetzen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass ein großer Teil der ausländischen Mitarbeiter nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfüge, um die Grundzüge der Wahl sowie des Wahlverfahrens auf Grund des Wahlausschreibens und anderer Wahlinformationen zu verstehen. Gleichwohl sei vom Wahlvorstand nicht dafür gesorgt worden, die entsprechenden Unterlagen in die jeweiligen Muttersprachen zu übersetzen.
Des Weiteren - so die Ansicht der Antragsteller - habe der Wahlvorstand gegen § 25 Abs. 1 WO verstoßen. Die Antragsteller haben behauptet, der Wahlvorstand habe viele Mitarbeiter zur schriftlichen Wahl gedrängt. Auch viele Schicht- und Sachgebietsleiter hätten ihre Untergebenen aufgefordert, vorab in das Büro des Wahlvorstandes zu gehen. Dort seien einzelne Mitarbeiter von zwei Wahlvorstandsmitgliedern, dem Wahlvorstandsvorsitzenden G und seinem Stellvertreter M, gedrängt worden, schriftlich zu wählen und ihre Stimme unmittelbar und unverzüglich im Wahlvorstandsbüro abzugeben. Einigen Mitarbeitern sei dabei gesagt worden, es müsse sofort abgestimmt werden, eine spätere Stimmabgabe sei nicht möglich; so sei bei der Mitarbeiterin F vorgegangen worden, die ihre Unterlagen gerne mit nach Hause genommen und die Stimmabgabe dort vollzogen hätte.
Die Antragsteller haben beantragt,
festzustellen, dass die Wahl des Betriebsrates und Beteiligten zu 5), die in der Zeit vom 20. März 2002 bis einschließlich 22. März 2002 durchgeführt wurde, unwirksam bzw. nichtig ist.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat behauptet, weder ihm noch dem Wahlvorstand seien Mitarbeiter bekannt, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien. Insbesondere die türkischen Mitarbeiter beherrschten nach Kenntnis des Wahlvorstandsvorsitzenden G die deutsche Sprache exzellent. Bei der Beteiligten zu 6) würde ein Arbeitnehmer im Übrigen nur eingestellt, wenn er hinreichend deutsch spreche; ggf. werde ein Sprachtest gemacht. Der Betriebsrat hat bestritten, dass Mitarbeiter unzulässigerweise beeinflusst und zur schriftlichen Stimmabgabe gedrängt worden seien. Im Übrigen - so die Auffassung des Betriebsrats - fehle die gemäß § 19 BetrVG erforderliche Kausalität im Sinn der Beeinflussung des Wahlergebnisses.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 12. Nov. 2002 - 4 BV 166/02 - zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO komme nur in Betracht, wenn es für den jeweiligen Wahlvorstand vor Durchführung der Betriebsratswahl offenkundig sei, dass ausländische Mitarbeiter der deutschen Sprache so wenig mächtig seien, dass sie das Wahlverfahren nicht verstehen könnten. Weder sei der Wahlvorstand verpflichtet oder gar berechtigt, vor Durchführung der Wahl ausländische Mitarbeiter einem Sprachtest zu unterziehen, noch sei der Wahlvorstand etwa gehalten, bei Vorgesetzten entsprechende Erkundigungen einzuziehen. Der Vortrag der Antragsteller, dass ca. 70 % der gewerblichen Mitarbeiter ausländischer Herkunft seien, sei im Übrigen nicht aussagekräftig, da nicht nur ausländische Staatsbürger der deutschen Sprache mächtig sein könnten, sondern auch Mitarbeiter ausländischer Herkunft die deutsche Staatsbürgerschaft und unabhängig davon hinreichende Sprachkenntnisse haben könnten. Sofern einzelne Vorgesetzte vor Durchführung der Betriebsratswahl erkannt hätten, dass die ihnen unterstellten Mitarbeiter der deutschen Sprache nicht mächtig seien, wäre es die Pflicht dieser Vorgesetzten gewesen, diese Information alsbald an den Wahlvorstand weiterzuleiten. Dann wäre der Wahlvorstand auch verpflichtet gewesen, entsprechend § 2 Abs. 5 WO zu reagieren. Die Antragsteller behaupteten nicht, dass dem Wahlvorstand die mangelnden Sprachkenntnisse auf Grund sonstiger Umstände offenkundig gewesen sind; das könnte u. a. dann der Fall sein, wenn etwa in der Vergangenheit auf Betriebsversammlungen allgemein Dolmetscher für bestimmte Sprachen hinzugezogen worden wären. Auch wegen eines Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 WO sei die Betriebsratswahl nicht rechtsunwirksam. Die Behauptungen der Antragsteller seien insoweit so wenig präzise, dass weitere Ermittlungen nicht angezeigt seien. Im Übrigen fehle es bei nur einer Stimme Differenz an einer möglichen Beeinflussung des Wahlergebnisses.
Gegen diesen ihm am 11. Febr. 2003 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 11. März 2003 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese am 11. April 2003 ebenfalls per Telefax begründet.
Die Antragsteller meinen, es bestünde die Gefahr, dass einzelne Arbeitnehmer in ihrem Recht auf Teilnahme an der Wahl eingeschränkt beziehungsweise an dessen Ausübung gehindert würden, wenn die Unterrichtungs- und Informationspflicht gemäß § 2 Abs. 5 WO erst ausgelöst würde, wenn mangelnde Sprachkenntnisse bei einzelnen Arbeitnehmern offenkundig vorlägen. Vor diesem Hintergrund sei allgemein anerkannt, dass der Ermessensspielraum des Wahlvorstands, ob eine Unterrichtung und Information der ausländischen Arbeitnehmer durchgeführt werden müsse, eng sei. Im Zweifelsfall müsse der Wahlvorstand - insbesondere bei einer größeren Anzahl ausländischer Arbeitnehmer - davon ausgehen, dass die deutschen Sprachkenntnisse unzureichend seien. Diese Grundsätze gälten insbesondere im Hinblick auf die Kompliziertheit des Wahlverfahrens und der Vorschriften sowie hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung des aktiven und passiven Wahlrechts, welche uneingeschränkt auch für ausländische Arbeitnehmer gelten müsse. Diese Grundsätze seien durch die Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetz im Jahre 2001 noch verstärkt worden, indem die Integration der ausländischen Arbeitnehmer in den Betrieb als wesentliche Aufgabe und wichtiges Ziel der Interessenvertretung neu aufgenommen worden sei. Der Wahlvorstand sei sicherlich nicht verpflichtet oder berechtigt, Sprachtests durchzuführen oder sich bei Vorgesetzten über die Sprachkenntnisse der Arbeitnehmer zu erkundigen. Der Wahlvorstand habe jedoch von sich aus zu prüfen, ob die Sprachkenntnisse der ausländischen Arbeitnehmer ausreichend seien. Auf eine Offenkundigkeit könne es hierbei nicht ankommen. Insbesondere mit Blick auf den hohen Anteil ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb hätte der Wahlvorstand vorliegend von der Möglichkeit nicht ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache ausgehen und seiner Unterrichtungs- und Informationsverpflichtung gemäß § 2 Abs. 5 WO von sich aus nachkommen müssen. Selbst wenn man - wie vorliegend das Arbeitsgericht - davon ausginge, dass die Unterrichtungs- und Informationspflicht des Wahlvorstands nur bei Offenkundigkeit mangelnder Sprachkenntnisse entstehen würde, so hätte das Arbeitsgericht in der Entscheidung zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl gelangen müssen.
Selbstverständlich gebe es einzelne ausländische Arbeitnehmer, die über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügten. Zwei der Antragsteller, Herr S und Herr P, seien selbst ausländischer Herkunft und verfügen über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Die Antragsteller hätten auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass alle ausländischen Arbeitnehmer über geringe Sprachkenntnisse verfügten. Es sei jedoch im Betrieb allgemein bekannt, dass eine Vielzahl der ausländischen Arbeitnehmer nicht über so weitreichende Sprachkenntnisse verfügten, um ihr Wahlrecht ausüben zu können. Vielen Arbeitnehmern bereite selbst das Ausfüllen einfacher Formulare mangels entsprechender Sprachkenntnisse erhebliche Schwierigkeiten. Dies wüsste der weit überwiegende Teil der Belegschaft. Die deutschen Sprachkenntnisse einer Vielzahl von Arbeitnehmern seien so gering, dass selbst einfachste Hygieneregeln mehrsprachig veröffentlicht seien. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ö habe bereits mehrfach Teilbetriebsversammlungen im Arbeitsbereich "Spüle" in türkischer Sprache abgehalten beziehungsweise bei solchen Teilbetriebsversammlungen die wesentlichen Inhalte in die türkische Sprache übersetzt.
Darüber hinaus sei im Betrieb allgemein bekannt, dass für die Durchführung von Personalgesprächen mit japanischen oder anderen asiatischen Kollegen immer wieder externe Dolmetscher herangezogen werden müssten. Aber auch für Gespräche, in denen allgemeine Betriebsabläufe mit japanischen oder anderen asiatischen Arbeitnehmern besprochen würden, zum Beispiel mit Köchen, die für die Zubereitung entsprechender Speisen zuständig seien, würden immer wieder Dolmetscher herangezogen.
Dass im Betrieb der Beteiligten zu 6. ausreichende deutsche Sprachkenntnisse Einstellungsvoraussetzung seien, sei den Antragstellern nicht bekannt. Selbst wenn dies der Fall wäre, verfügten gerade in den Bereichen Spüle, Küche und Tablettauffüllung eine Vielzahl der Arbeitnehmer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, um an einer Betriebsratswahl teilnehmen zu können. Es werde außerdem bestritten, dass der Wahlvorstand die Arbeitnehmer mündlich über die Wahlvorschriften belehrt habe.
Die Betriebsratswahl sei aber auch deshalb unwirksam, weil ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 WO vorliege. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung habe nicht nur hinsichtlich der Arbeitnehmerin F stattgefunden. Aus einer E-Mail an die Arbeitnehmern D gehe hervor, dass nicht nur Frau F in das Wahlbüro zitiert worden sei, sondern eine ganze Schicht. Aus Angst vor Nachteilen sei jedoch eine Vielzahl von Arbeitnehmern nicht bereit, als Zeugen zur Verfügung zu stehen oder aber genannt zu werden.
Die Antragsteller beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Betriebsratswahl, die in der Zeit vom 20. bis 22. März 2002 stattgefunden hat, für ungültig zu erklären.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, § 2 Abs. 5 WO sei funktional bezogen auf die sachgerechte Durchführung einer Betriebsratswahl unter dem Gesichtspunkt der Aufstellung der Wählerliste. Dies ergebe sich unmittelbar aus der systematischen Einordnung der Regelung in § 2 WO, der sich ausschließlich mit der Wählerliste befasse. Während die Wahlordnung für den Wahlvorstand überwiegend ohne Ermessensmöglichkeiten klare Entscheidungslinien vorzeichne, sei § 2 Abs. 5 WO als Sollvorschrift ausgestaltet. Die Anwendung des § 2 Abs. 5 WO setze voraus, dass der Wahlvorstand wisse, dass es im Betrieb ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gäbe, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien. Dies könne er nur dann wissen, wenn sich diese Arbeitnehmer ihm offenbarten oder wenn ihm aus anderen Erkenntnisquellen dieser Sachverhalt klar sei. Selbst wenn er dies gewusst hätte, hätte es keine "Verpflichtung" gegeben, eine zusätzliche Unterrichtung in ausländischen Sprachen vorzunehmen. Der Wahlvorstand wäre lediglich verpflichtet gewesen, abzuwägen, in welcher Weise er "geeignete Maßnahmen" ergreifen wolle und ob diese verhältnismäßig, nötig, erforderlich, sinnvoll usw. seien. Dabei hätte der Wahlvorstand auch auf Erfahrungen in der Vergangenheit zurückgreifen können und müssen. Da im Betrieb Mitarbeiter ausländischer Herkunft aus einer ganzen Vielzahl von Ländern mit einer Vielzahl von National- bzw. Muttersprachen beschäftigt seien, sei ein Wahlvorstand schlicht überfordert, Übersetzungen in etwa 50 Heimat- bzw. Muttersprachen vorzunehmen. Dem Wahlvorstand sei kein einziger Arbeitnehmer bekannt, der solch schlechte deutsche Sprachkenntnisse habe, dass er schildmäßige Veröffentlichungen in deutscher Sprache nicht lesen könne. Ein Wahlvorstand, der im Jahre 2002 von der Vorstellung ausgehe, ausländische Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz in Deutschland gefunden hätten, seien unmündig und nicht in der Lage, sich anhand ihrer Sprachkenntnisse über eine Betriebsratswahl zu erkundigen, werde sich den Vorwurf gefallen lassen müsse, er diskriminiere ausländische Arbeitnehmer. Es möge einmal so gewesen sein, dass der Gesetzgeber von der idyllischen Vorstellung von "Gastarbeitern" ausgegangen sei, die einer besonderen Fürsorge unterlägen. Diese Zeiten seien längst vorbei. Jetzt gehe es darum, diskriminierungsfrei miteinander umzugehen. Wenn ein Arbeitnehmer meine, er verstehe etwas nicht, habe er die Gelegenheit, sich sachkundig zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 25. Sept. 2003 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die rechtzeitig, nämlich mit Telefax vom 5. April 2002 angefochtene Betriebswahl, die in der Zeit vom 20. bis 22. März 2002 im Betrieb der Beteiligten zu 6) "L" stattgefunden hat, ist ungültig. Dies ist auf den zweitinstanzlich zulässig geänderten Antrag hin zu erkennen. Die Antragsänderung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig, ohne dass die sonst erforderliche Zustimmung der übrigen Beteiligten oder die Bejahung der Sachdienlichkeit durch das Gericht vorliegen muss (§ 87 Abs. 2 Satz 3, § 81 Abs. 3 ArbGG). § 264 ZPO ist für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Antragsänderung im Beschlussverfahren entsprechend anwendbar (BAG Beschluss vom 14. Januar 1983 - 6 ABR 39/82 - EzA § 81 ArbGG 1979 Nr. 1).
Die Antragsteller sind ohne Änderung des Klagegrundes und auf der Grundlage des bisherigen Prozessstoffes vom Feststellungs- zum Gestaltungsantrag übergegangen, wobei die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl vom Antrag, diese für ungültig zu erklären, erfasst wird (LAG München Beschluss vom 1. Dez. 1999 - 7 Ta BV 42/99 - Juris).
III.
Die Anfechtung kann nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, wahlberechtigte Arbeitnehmer seien in ihrem Wahlverhalten unrechtmäßig beeinflusst worden.
Die generelle Anordnung der Briefwahl, ohne dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 WO 2001 vorliegen, ist zwar nicht zulässig (vgl. BAG Beschl. vom 27. Jan. 1993 - 7 ABR 37/92 - EzA § 76 BetrVG 1972 Nr. 14; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 18. März 1999 - 4 Ta BV 51/98 - NZA-RR 1999, 523), weil damit eine Beeinflussung des Wahlverhaltens verbunden sein kann. Durch die persönliche Stimmabgabe sollen Wahlmanipulationen weitgehend ausgeschlossen werden. Erstinstanzlich wurde für die gegenüber dem Wahlvorstand erhobenen Vorwürfe lediglich eine betroffene Arbeitnehmerin benannt, die zur schriftlichen Stimmabgabe gedrängt worden sei. Deren Stimmabgabe kann sich angesichts des bekannt gemachten Wahlergebnisses auf dieses nicht ausgewirkt haben. Vom behaupteten Verhalten des Wahlvorstandes gegenüber einer einzigen Arbeitnehmerin lässt sich auch nicht verallgemeinernd ein generelles Verhaltensmuster des Wahlvorstandes ableiten. Das zweitinstanzlich vorgelegte E-Mail (Bl. 63 d. A.) stammt nicht vom Wahlvorstand, sondern vom General Manager, und enthält den sachgerechten Hinweis, dass der Betriebsrat darum gebeten hätte, dass die Mitarbeiter, die nächste Woche Urlaub hätten, in den dritten Stock geschickt würden, damit sie an einer Briefwahl teilnehmen könnten. Die Aushändigung von Wahlunterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe, wenn dem Wahlvorstand die Abwesenheit der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl bekannt ist, entspricht § 24 Abs. 2 WO.
Ein Zwang zur sofortigen schriftlichen Stimmabgabe wird daraus nicht hinreichend deutlich. Der pauschale Vortrag der Antragsteller, eine Vielzahl von Arbeitnehmern stünde aus Angst vor Nachteilen als Zeugen nicht zur Verfügung, rechtfertigt kein Absehen von der Konkretisierung der Anfechtungsgründe.
IV.
Die Wahl ist jedoch ungültig, weil der Wahlvorstand nicht dafür gesorgt hat, dass die ausländischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Betriebes, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Einleitung der Betriebsratswahl über das Wahlverfahren, die Aufstellung der Wähler- und Vorschlaglisten, Wahlvorgang und Stimmangabe in geeigneter Weise unterrichtet worden sind, § 2 Abs. 5 der Wahlordnung (WO) 2001 zum Betriebsverfassungsgesetz. In welcher Form die Unterrichtung erfolgt, ob durch ein Merkblatt in ausländischer Sprache oder durch einen Dolmetscher im Rahmen einer Wahlversammlung, unterliegt zwar der Entscheidung des Wahlvorstandes. Die "Unterrichtung" erfolgte hier jedoch ausschließlich durch ein in deutscher Sprache gehaltenes Wahlausschreiben. Dies ist nicht geeignet im Sinne des § 2 Abs. 5 WO. Im allgemeinen dürfte eine Übersetzung der Bekanntmachungen und Aushänge des Wahlvorstandes erforderlich sein (ebenso LAG Hamm Beschluss vom 17. Mai 1973 - 8 Ta BV 11/73 - DB 1973, 1403; Brill, BB 1978, Däubler/Kittner/Klebe-Schneider, BetrVG, 7. Aufl., § 2 WO Rz. 17; Fittung/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 2 WO Rz. 8; GK-BetrVG/Kreutz/Oetker, 7. Aufl., § 2 WO Rz. 21; Richardi/Thüsing, BetrVG, 8. Aufl., § 2 WO Rz. 14; zur früheren Rechtslage LAG Frankfurt/M. Beschl. v. 5. Juli 1965 - 1 Ta BV 1/65 - DB 1965,1746). Der Umstand dass von 1000 gewerblichen Arbeitnehmern 70 % ausländischer Herkunft sind und von den 400 Angestellten 20 % und im Unternehmen über 100 Nationalitäten vertreten sind, kann jedenfalls kein Grund sein, von einer Unterrichtung zumindest in den im Betrieb vertretenen Hauptsprachen ganz abzusehen. Wegen der zahlreichen nur sehr gering vertretenen Sprachen wird man einen in den Hauptsprachen gehaltenen Hinweis als ausreichend ansehen können, dass bei Bedarf eine Unterrichtung in weiteren Sprachen abgerufen werden kann.
Obwohl § 2 WO als Sollvorschrift ausgestaltet ist, ist der Entscheidungsspielraum, ob der Wahlvorstand eine Unterrichtung der im Betrieb beschäftigten ausländischen, der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Arbeitnehmer durchführt, eng. (ebenso Fittung/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., Anm. zu § 2 WO).
Dies ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung des aktiven und passiven Wahlrechts, das die aktive Teilhabe an der Betriebsverfassung gewährleistet. Ein Verstoß rechtfertigt die Anfechtung, wenn die Arbeitnehmer nicht die erforderlichen Kenntnisse hatten, um ihr Wahlrecht interessengerecht wahrnehmen zu können (ebenso Däubler/Kittner/Klebe-Schneider, BetrVG, 7. Aufl., § 2 WO Rz. 17; Fittung/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., Anm. zu § 2 WO; GK-BetrVG/Kreutz/Oetker, 7. Aufl., § 2 WO Rz. 21).
Für den Schluss, dass im Betrieb zahlreiche wahlberechtigte Arbeitnehmer/innen die deutsche Sprache nicht in einem Umfang beherrschen, dass sie die Bekanntmachungen und Aushänge über das Wahlverfahren, die Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe verstehen und nachvollziehen können, haben die Antragsteller genügend Hilfstatsachen vorgetragen. Wenn es die Arbeitgeberin für notwendig hält, einen Aushang auf der Toilette mit dem einfachen Text:
"Bitte die Toiletten unbedingt sauber halten. Andere Kollegen wollen sie auch benutzen."
mit Übersetzungen in die türkische, spanische, griechische, italienische, englische und französische Sprache zu versehen, dann fragt sich, wie die ausländischen Beschäftigten Bekanntmachungen über komplizierte Wahlvorschriften in deutscher Sprache verstehen sollen. Das kann dem Wahlvorstand nicht nur deshalb nicht verborgen geblieben sein, weil seine Mitglieder ebenfalls die Toiletten benutzen, sondern vor allem deshalb nicht, weil Informationsschreiben der Geschäftsleitung in den Sprachen der Herkunftsländer der Mitarbeiter verschickt werden (Bl. 103 ff. d. A.). Dass der Betriebsrat selbst davon ausgeht, dass Mitarbeiter der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, ergibt sich auch aus seiner Mitteilung an die Kollegen/innen, dass der Brief der Geschäftsleitung vom 8. Mai 2003 in verschiedenen Sprachen wie Türkisch, Englisch, Spanisch, Thai, Vietnamesisch, Griechisch und Italienisch im Betriebsratsbüro abgeholt werden kann. Die Annahme, der vom Betriebsrat bestellte Wahlvorstand habe einen schlechteren Kenntnisstand über die betrieblichen Verhältnisse als die Betriebsratsmitglieder, ist lebensfremd. Wenn aber Mitarbeiter/innen des Betriebes derart schlechte deutsche Sprachkenntnisse haben, dass nach Auffassung der Betriebsleitung selbst einfachste Toilettenaushänge in siebenfacher Übersetzung gefertigt werden müssen, dann ist es zwingend so, dass diese Mitarbeiter durch Bekanntmachungen über das Wahlverfahren in deutscher Sprache nicht in die Lage versetzt wurden, frei zu entscheiden, ob sie wählen, wann sie wählen, wen sie wählen, ob sie einen Wahlvorschlag einreichen, was hierfür die Voraussetzungen sind usw.. Einen gegenteiligen Schluss lassen auch die hohe Wahlbeteiligung von rund 73 % und die geringe Zahl ungültiger Stimmzettel nicht zu.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dieser Verstoß gegen das Wahlverfahren ohne Auswirkungen auf das Wahlergebnis geblieben ist. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn ein solcher Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne Verstoß gegen wesentliche Vorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG Beschluss vom 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 39; BAG Beschluss vom 14. September 1988 - 7 ABR 93/87 - BAGE 59, 328 = AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 1). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung entsprechender Vorschriften zum Wahlverfahren kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl. Eine solche Feststellung ist hier nicht möglich und lässt sich auch aus der hohen Wahlbeteiligung von rund 73 % und der geringen Zahl ungültiger Stimmzettel nicht ableiten.
V.
Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 12 Abs. 5 ArbGG nicht.
Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG. Entscheidungserheblich sind die Auslegung und Inhaltsbestimmung des § 6 WO, zu der es soweit ersichtlich noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt.
Ende der Entscheidung
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